Wer macht welches Projekt und wo stehen wir damit?
Vor lauter Vorhaben ist es leicht die Übersicht zu verlieren. Die grauen Zeitfresser-Monster schleichen durch die Abteilung. Alle rennen von Workshop zu Workshop ohne Plan. Alles ist wichtig, niemand ist wirklich zuständig und keiner hat Zeit. Kommt Dir das bekannt vor? Du bist nicht alleine. Die Projektseuche sucht fast jedes Unternehmen heim. Hier sind meine zehn wichtigsten Tipps und als Bonus: ein spannendes Werkzeug.

1. Projektarbeit von Alltagsgeschäft trennen

Wenn wir unsere Kunden bitten alle Projekte auf den Tisch zu legen. Dann ist das ein bisschen Marie Kondo Feeling (link) für uns. Gar wunderliche Vorhaben kommen ans Licht. Ladenhüter, die sich über Jahre in der Agenda festkrallen. Kleinprojekte, die in Tagen erledigt sind oder schlicht Dinge, die wir zum Tagesgeschäft zählen. Wenn wir es schaffen eine gemeinsame Definition von «Projekt» zu etablieren, dann haben wir schon mal ein Mittel Unrat, Tagesgeschäft und wirkliche Projekte sauber zu trennen. Per Definition ist ein Projekt ein einmaliges Vorhaben, das klare Lieferobjekte hat, über einen Auftraggeber verfügt, einen Projektleiter hat, über einen definierten Zeitrahmen läuft, an ein Budget gebunden ist, meist mehrere interne Stellen (Teams,Abteilungen, Bereiche) betrifft und einen gewissen Personalaufwand aufweist. Natürlich variiert diese Definition leicht von Betrieb zu Betrieb. Aber das wäre doch schon einmal ein Anfang. Projekte sind also nicht «Digitalisierung» als Idee oder «Krankheitstage erfassen» als Basisaufgabe.

2. Das Richtige tun

Jetzt reden wir über Effektivität. Es geht darum, die wichtigen Dinge von den unwichtigen zu unterscheiden. Das ist ziemlich praktisch, wenn es darum geht Ressourcen zu planen oder Budgets zu kürzen. Es geht also darum, die Dinge zu tun, die uns einem Ziel näher bringen. „Effektives Arbeiten“ bedeutet also, nur die Massnahmen zu ergreifen, die uns auch wirklich weiterhelfen. Wenn wir, als Beispiel, die Digitalisierung vorantreiben wollen, gibt es verschiedenste Möglichkeiten. Ist es eine kluge Idee allen Mitarbeitenden als erste Handlung einen iPad zu kaufen? Vermutlich nicht.

3. Projekte nach Mehrwert organisieren

Um Projekte zu priorisieren, lässt sich ein einfaches Raster zu erstellen. Dieses enthält verschiedene Kriterien wie Umsetzungsaufwand, Zeitbedarf, Dringlichkeit, Mehrwert für die Organisation, Beitrag zur Sicherheit oder zur Risikokontrolle. Jedes Projekt wird nach diesem Kriterienkatalog beurteilt. Am einfachsten auf einer Skala von 1-10. So erhält jedes Projekt Punkte und damit eine Wertung. So legen wir die Prioritäten unserer Projekte fest.

Wer es etwas komplizierter will, kann den einzelnen Kriterien eine unterschiedliche Gewichtung geben. So zählt der Mehrwert für die Organisation etwa doppelt. Der Aufwand dafür nur einfach.

4. Zeithorizonte klären

Jetzt definieren wir gemeinsam die Zeithorizonte kurz-, mittel- und langfristig. Bewährt haben sich 3-4 Monate für kurzfristige Vorhaben, 6 Monate für mittelfristige und 12 Monate für langfristige. So können die meisten Projekte den einzelnen «Zeit-Schubladen» zugeteilt werden. Die meisten? Fast. Projekte, die länger dauern, müssen in Stücke geschnitten werden. Das hilft bei grossen Projekten die Übersicht zu behalten. Wir wollen ja keine Projekte wie der neue Berliner Flughafen, der mit acht Jahren Verspätung und dreifach überzogenem Budget in den letzten Tagen eröffnet wurde.

5. Ressourcen verhandeln

Sodeli. Jetzt wird gebastelt. Oder vielmehr: gedruckt und gepinnt. Idealerweise schreibt man jedes Projekt mit Projektnamen, Bewertung, Termin und der für das Projekt verantwortlichen Person auf eine Karte und hängt sie an die Wand. Oben die kurzfristigen Projekte, in der Mitte die mittelfristigen und unten der ganze Rest. Wer kann und will, kann die Projekte auch noch den strategischen Handlungsfeldern oder nach Themen ordnen. Jetzt könnt ihr Euch schon mal auf die Schulter klopfen. Es ist aufgeräumt! Aber halt: Jemand muss das Zeugs auch noch erledigen. Es gilt also die Ressourcen zu verhandeln. Wenn wir also all die kurzfristigen Dinge, die jetzt an der Wand hängen erledigen wollen – können wir das? Auch wenn wir bedenken, dass wir ja noch ein Alltagsgeschäft haben? Gefragt sind hier vor allem die Projektleiter. So kann in dieser Phase nochmals repriorisiert werden. Manche Vorhaben landen dann plötzlich etwas weiter hinten. Und das ist auch gut so.

6. Transparenz schaffen

Jetzt haben wir ja die schöne Wand mit allen Projekten. Aufgeräumt und schön geordnet. Und das lassen wir am besten gleich so hängen. Es gibt allen Mitarbeitenden einen tollen Einblick ins ganze Projetportfolio. Wir haben eine Wand, die es erlaubt alle Projekte auf einen Blick zu sehen. Das Team weiss, was ansteht. Es kommt noch besser. Die Mitarbeitenden können sich auch auf Projekte melden und ihre Hilfe anbieten. Transparenz schafft Verständnis und Orientierung.

7. Umsetzung handlich machen

Nun kommt der etwas unangenehme Teil. Wir kopieren alle Karten, die zur kurzfristigen Umsetzung anstehen und eröffnen damit eine zweite Wand. An dieser Wand entsteht ein Kanban. Das Kanban (link) besteht aus mindestens der Spalten. Spalte eins ist «Zu erledigen» (wer bluffen will nennt es «Backlog»). Spalte zwei ist «In Arbeit» (für Angeber «Doing») und Spalte drei ist «Erledigt» (auch «Done» genannt). Jede Projektkarte durchläuft die drei Spalten in dieser Reihenfolge. Die Durchlaufzeit der Karte entspricht exakt den drei Monaten, die wir als kurzfristig definiert haben. Jetzt haben wir nicht nur Transparenz über alle Projekte, sondern sehen auch ganz physisch, wo die Projekte stehen.

8. Effizient sein

Wenn wir unter Punkt zwei über Effektivität gesprochen haben, dann kommt jetzt das Thema Effizienz. Die Übungsanlage lautet jetzt nämlich nicht «wer ist schuld, dass ein Projekt nicht vorwärts kommt?», sondern «Wie können wir einander helfen, dass wir alles gemeinsam erledigt kriegen?» Das heisst, dass diese Wand dem ganzen Team gehört. Und das Team gewinnt nur, wenn es alle Projekte rechtzeitig ins Ziel bringt. Dazu sollte man auch wissen, dass es wenig Sinn macht alle Vorhaben gleich ins «Doing» zu kippen. Das Prinzip des Kanban beruht auf der Flow-Theorie. Die Theorie besagt, dass Dinge schneller erledigt sind, wenn wir das System nicht überlasten und wenn wir die Aufgaben fliessen lassen, statt den Abfluss bzw. den Durchfluss zu verstopfen. Das Team muss sich also darauf einigen wie viele Aufgaben gleichzeitig in der Spalte «In Arbeit» sein dürfen. Erst wenn ein Vorhaben erledigt ist, darf ein nächstes Vorhaben nachrücken.

9. Regeln einhalten

Wenn sich das Team jetzt an die Regeln hält, kann nichts mehr schief gehen. Das heisst, dass ein Projekt nur ein Projekt wird, wenn es die Bedingungen für ein Projekt erfüllt. Und wenn jedes Projekt auch nach den definierten Kriterien qualifiziert wird und die nötigen  Ressourcen mit dem Team verhandelt sind. Was sehr banal tönt, ist oft das schwierigste. Von wundersamer Hand erscheinen oder verschwinden oder erscheinen Projekte. Plötzlich sind Projekte «erledigt», die noch gar nicht bearbeitet wurden. Damit das nicht passiert, gibt es den letzten Punkt.

10. Rituale pflegen

Es gibt bei unserem Rezept zwei wichtige Rituale. Das erste Ritual ist das Verhandeln der Ressourcen, das Qualifizieren und Einpflegen neuer Projekte auf der Projektwand. Bei diesem Treffen müssen alle Projektverantwortlichen zugegen sein. Es findet alle 2-3 Monate statt und dauert etwa 2-3 Stunden. Das zweite Ritual findet alle 2-3 Wochen statt. Es geht darum den Projektfortschritt an der Kanban Wand zu besprechen. Dazu beantwortet jede projektverantwortliche Person vier Fragen: Was habe ich erledigt? Wo arbeite ich gerade dran? Was packe ich als nächstes an? Wo brauche ich Hilfe? Dieses Meeting sollte nicht mehr als dreissig Minuten dauern.

Fazit

Projekte aufräumen ist etwa so wie Frühlingsputz. Etwas mühsam, bis die ersten Schritte gemacht sind. Aber unheimlich befriedigend, wenn es dann einmal zu funktionieren beginnt.
Wir glauben nicht an Projektmanagement mit komplizierten Excel Listen oder daran, dass es eine komplexe Software braucht. Wir glauben nicht an ein Projektcontrolling, dass Projektleitende mit Formularen eindeckt und möglichst viele Details sammelt. Wir glauben an die Kraft der Zusammenarbeit auf Augenhöhe und an Transparenz. Projekte aufräumen macht den Kopf frei – starte jetzt!

Schreibe einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Pflichtfelder sind mit * markiert.


Beitragskommentare